Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt und 183-Tage-Regel 

Perspektive Ausland Podcast: Such Dir aus, wo Du steuerpflichtig bist

Vor kurzem widmeten wir eine Folge unseres beliebten Podcasts Perspektive Ausland Zu Gast Catherine. Hören Sie jetzt rein.

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Für Auswanderer ist es wichtig, sich u.a. mit den drei oben genannten Begriffen eingehend zu beschäftigen. Wer dies nicht tut, kann böse in die Steuerfalle tappen! Daher wollen wir im Folgenden die wichtigsten Begriffe erläutern, zeigen, was sie unterscheidet, wie sie zusammenhängen, und welche Folgen sich daraus ergeben können. 

 

Wohnsitz 

Wer im Ausland leben will, wird für gewöhnlich sein Wohnsitz in Deutschland abmelden, indem er sich eine Abmeldebescheinigung von seiner zuständigen deutschen Behörde ausstellen lässt, und sich dann in seinem Zielland wieder anmelden. Die Abmeldung aus Deutschland ist deshalb wichtig, weil sie die Grundvoraussetzung dafür ist, dass man der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland überhaupt entkommen kann. 

Diese unbeschränkte Steuerpflicht (nach § 1 Abs. 1 EstG) bedeutet, dass man mit seinem weltweiten Einkommen in Deutschland steuerpflichtig ist und setzt voraus, dass man entweder seinen Wohnsitz oder seinen “gewöhnlichen Aufenthalt” in Deutschland hat. Zum Wohnsitz sagt § 8 AO:  

„Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.“ 

Das bedeutet, dass man bereits einen Wohnsitz in Deutschland hat, wenn man in Deutschland über eine Wohnung jederzeit verfügen kann. Das gilt z.B. auch für das weitere existierende Jugendzimmer im Elternhaus oder der Besitz des Schlüssels zur leerstehenden Eigentumswohnung der Schwester. 

Grundsätzlich wird bei der Überprüfung, ob man in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, immer zuerst überprüft, ob man einen Wohnsitz in Deutschland hat. Erst nachgelagert, also falls dem nicht so ist, wird überprüft, ob man seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. 

 

Gewöhnlicher Aufenthalt 

Besteht nun kein Wohnsitz in Deutschland, wird der gewöhnliche Aufenthalt nach § 9 AO herangezogen, um zu prüfen, ob vielleicht dennoch eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland vorliegt. In § 9 AO heißt es:  

„Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.“ 

Nun ist es leider nicht ganz einfach, den genauen Zeitpunkt der Beendigung des gewöhnlichen Aufenthaltes bei einer Auswanderung zu bestimmen, denn der Gesetzgeber hat keine eindeutige Definition für den gewöhnlichen Aufenthalt geschaffen. Folglich kann dessen Beendigung oft nur an spezifischen „Indizien“ festgemacht werden. 

Der wichtigste Satzteil im Gesetz ist „nicht nur vorübergehend“. Dies kann man auch mit „gewöhnlich“ oder „dauerhaft“ übersetzen. Dazu gehört auch, dass man, wenn man auswandert, also von Anfang an keine Rückkehrabsicht hat. Und ebenso lässt sich daraus ableiten, dass auch dann ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegen könnte, wenn man sich in keinem anderen Land mehr Tage pro Jahr aufhält als in Deutschland. Denn daraus lässt sich üblicherweise der Lebensmittelpunkt ableiten. 

 

Lebensmittelpunkt 

Für den Lebensmittelpunkt, auch der „Mittelpunkt der Lebensinteressen“, gibt es im deutschen Steuerrecht, analog zum gewöhnlichen Aufenthalt, keine Definition. Dennoch ergeben sich aus ihm u.U. steuerliche Anknüpfungspunkte, nämlich z.B. dann, wenn man entweder keinen oder mehr als einen steuerlichen Wohnsitz hat und sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht anhand der 183-Tage-Regelung bestimmen lässt. 

Der Begriff Lebensmittelpunkt wird in den eben genannten Fällen im internationalen Steuerrecht vor allem dann herangezogen, wenn zwischen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bestehen. Hier wird dann im Zweifelsfall der Lebensmittelpunkt oft das entscheidende Kriterium zur Bestimmung der steuerlichen Ansässigkeit. 

Gemäß des OECD-Musterabkommens von 2017 ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen derjenige Staat, „…zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);“. 

Die Formulierung zeigt, dass hier Interpretationsspielraum gibt. Wer auswandert, sollte also möglichst keinen geben. Zu beachten ist dabei, dass für den Lebensmittelpunkt alle Bereiche des Lebens, z.B. Familie, Freizeitgestaltung, Sozialleben, Einkünfte oder unternehmerischen Tätigkeiten, relevant sind. Ist man beispielsweise verheiratet, der Ehepartner wandert aber nicht mit aus, so kann angenommen werden, dass der Lebensmittelpunkt weiterhin in Deutschland verbleibt. 

Der Lebensmittelpunkt wird aber, wie weiter oben schon kurz erwähnt, nachrangig geprüft. Zunächst gilt Satz 2 des Paragraphen 9 AO, in dem es ja, wenn Sie diesen aufmerksam gelesen haben, heißt, dass als gewöhnlicher Aufenthalt „…stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen…“ ist (es folgen in Satz drei noch einige Ausnahmeumstände). Diese Formulierung führt uns zum nächsten Begriff, nämlich der 

 

183-Tage-Regelung 

Im oben zitierten Satz 2 des Paragraphen 9 spricht der Gesetzgeber zwar von sechs Monaten, der sogenannten 6-Monats-Frist, tatsächlich geht es aber um mehr als ein halbes Jahr, mithin um mindestens 183 Tage. 

Wir erinnern uns, dass es bei der Bestimmung, ob eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland vorliegt, im ersten Schritt der Wohnsitz überprüft wird, und, falls keiner vorliegt, in einem zweiten Schritt der gewöhnliche Aufenthalt. Und um Letzteren zu bestimmen, zieht der Gesetzgeber nun zunächst die 183-Tage-Regelung heran. Zu beachten ist hierbei, dass für die Berechnung der 183-Tage-Regelun stets ein rollierendes Jahr zugrunde gelegt wird, nicht ein Kalenderjahr. 

Wichtig kann dies beispielsweise gegen Jahresende werden, falls man seinen Wohnsitz z.B. zum 20.12. eines Jahres aufgegeben hat (Abmeldebescheinigung), aber erst nach Silvester ausreist, z.B. am 05.01. Dann gilt der 05. Januar als Tag der Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts, was zumindest eine Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland für dieses ganze Folgejahr nach der Abmeldung auslöst, auch, wenn dann möglicherweise nur noch eine beschränkte Steuerpflicht vorliegt.  

Das heißt konkret: Im „Normalfall“ endet der gewöhnlicher Aufenthalt mit dem Tag der Ausreise aus Deutschland. Normalfall deshalb, weil es dabei einige Stolperfallen zu berücksichtigen gibt, vor allem, wenn man sich auch künftig häufiger in Deutschland aufhalten möchte. 

 

Stolperfallen 

Zu diesen Ausnahme- oder Grenzfällen kann es aus den verschiedensten Gründen kommen, auf die wir hier nicht alle eingehen können. Aber liegt ein Grenzfall vor, so muss man Indizien vermeiden, die auf einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hinweisen können. 

Dazu gehört zum Beispiel die Krankenversicherung. Behält man seine deutsche Krankenversicherung nach seiner Auswanderung bei, könnte dies für die deutschen Behörden im Zweifelsfall eine Rückkehrabsicht bedeuten. Gleiches gilt z.B. auch für den Fall, dass man sein Auto in Deutschland behält. 

 

Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt rechtssicher beenden 

Während die Aufgabe des Wohnsitzes noch recht eindeutig mittels Abmeldebescheinigung zu beenden ist, ist der gewöhnliche Aufenthalt im Ausland wegen der zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten nicht selten schwierig nachzuweisen. Die Finanzbehörden haben hier einen recht großen Ermessensspielraum und nutzen ihn gerne auch, um im Zweifel doch eine unbeschränkten Steuerpflicht anzunehmen. Dazu gehört, dass man die oben erwähnten Stolperfallen vermeidet und ein paar grundlegende “Sicherheitsmaßnahmen” beachtet. Einige davon sind: 

  • Wer auswandert, der sollte möglichst innerhalb des ersten halben Jahres nicht wieder nach Deutschland einreisen; 

  • Halten Sie sich nach der Auswanderung grundsätzlich so wenig wie möglich in Deutschland auf, um die 183-Tage-Frist nicht ungewollt zu überschreiten; 

  • Besuchen Sie Deutschland höchsten 8 Wochen am Stück und reisen Sie dann für mindestens vier Wochen wieder an Ihren neuen Wohnsitz im Ausland; 

  • Vermeiden Sie alle Verbindungen zu Deutschland, die Ihnen als „Rückkehrabsicht“ ausgelegt werden könnten. 

 

Key Takeaways 

  • Basis für die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ist der Wohnsitz; 

  • NUR wenn ein solcher nicht vorliegt, wird der gewöhnliche Aufenthalt herangezogen, unter Berücksichtigung der 183-Tage-Regelung; 

  • Beim gewöhnlichen Aufenthalt ist der Lebensmittelpunkt wiederum dann entscheidend, wenn neben Obigem noch persönliche und/oder wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland vorliegen;  

  • Man sollte man sich bewusst sein, dass auch nach einer Auswanderung eine beschränkte Steuerpflicht in Deutschland weiterhin bestehen bleiben kann.   

 

Fazit 

Wer als Unternehmer auswandert oder auch als digitaler Nomade die Regeln beachtet, kann eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland relativ einfach vermeiden.  

Sowohl die Entstehung bzw. die Beibehaltung eines Wohnsitzes in Deutschland als auch die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland lassen sich unter Einhaltung gewisser “Vorsichtsmaßnahmen” recht leicht verhindern. 

Digitale Nomaden sollten dabei insbesondere darauf achten, ihren Aufenthaltsort regelmäßig zu wechseln. Wer dies als digitaler Nomade tut, kann das Ziel, nirgendwo unbeschränkt steuerpflichtig zu sein, also durchaus erreichen. 

Ungeachtet dessen empfehlen wir allen Auswanderern, sich rechtzeitig professionell beraten zu lassen. Es gibt, je nach persönlicher Situation, eine Reihe von Fallstricken, die sich dadurch vermeiden lassen. Das kann Ihnen u.U. sehr viel Geld sparen. Gerne stehen wir Ihnen für ein persönliches Beratungsgespräch zur Verfügung. Vereinbaren Sie einfach Ihren Termin. 

 

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