Die deutsche Wegzugsteuer 2025 & was man dagegen tun kann
Wer Deutschland verlässt und an werthaltigen Kapitalgesellschaften oder ab 2025 auch an größeren Investmentvermögen beteiligt ist, muss laut Gesetz bluten. Das gilt in der verschärften Fassung seit 2022 sogar bei einem Wegzug ins EU-EWR-Ausland. Doch es gibt legale Strategien, die Wegzugsteuer zu vermeiden.
Die Neufassung der Reichsfluchtsteuer
Die meisten Mandanten haben keine Ahnung, dass es eine Strafsteuer gibt, um Deutschland zu verlassen. Ja, sie haben richtig gehört. Diese Strafsteuer wird auch Wegzugbesteuerung , Wegzugsteuer , Wegzugssteuer , Auswanderungssteuer oder Wegzieh Steuer genannt. Wer geschäftlich erfolgreich ist, muss bluten, wenn er Good Old Germany den Rücken kehren will und einen Wegzug plant. Und das nicht unerheblich. Jetzt fragt man sich okay, Wegzugsbesteuerung wie hoch ist die denn?
Besitzen Sie eine GmbH, die nur 100.000 Euro Gewinn im Jahr erwirtschaftet, liegt die Wegzugsteuer schnell bei über 300.000 Euro.
Mehr Informationen dazu wie die Wegzugssteuer berechnet wird, erfahren Sie weiter unten.
Seit 2022 wird die Wegzugsbesteuerung sogar fällig, wenn Sie innerhalb des EU-EWR-Raums, also z. B. lediglich nach Italien, umziehen (wir gehen davon aus, dass diese Regelung irgendwann vom EUGH gekippt wird, da sie den europäischen Grundrechten wie Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit widerspricht).
Wer selbständig ist oder Betriebsvermögen ins Ausland verlagert, dem droht die sogenannte Entstrickung, was allerdings steuerlich betrachtet nicht mit der Wegzugsteuer zu verwechseln ist, aber de facto den gleichen Effekt hat.
Aber alles schön der Reihe nach.
Es geht NICHT um eine Sitzverlegung ins Ausland
Viele Mandanten meinen, dass die Wegzugsteuer nur dann anfällt, wenn ein deutsches Unternehmen ins Ausland verlegt werden soll. Das ist NICHT der Fall. In diesem Fall würde laut Außensteuergesetz § 6 AStG die Exit Tax fällig werden.
Die Wegzugsteuer fällt hingegen an, wenn natürliche, steuerpflichtige Personen Anteile an einer Kapitalgesellschaft halten (mind. 1 % der Anteile) und Ihren Wohnsitz ins Ausland verlagern. Diese werden beim Wegzug aus Deutschland der Einkommensteuer unterzogen.
Die Wegzugssteuer ist KEINE eigenständige Steuer, sondern eine Variante der Einkommensteuer!
UND: Auch bei Beteiligungen an Auslandsgesellschaften werden diese Anteile bei einem Wegzug aus Deutschland in ein anderes Land bei der Wegzugsteuer mit berücksichtigt.
Wegzugsteuer vs Exit Tax (Entstrickung)
Alle Steuern, die für eine unbeschränkt steuerpflichtige Person bei einem Wegzug aus Deutschland oder der Verlagerung von Betriebsvermögen ins Ausland anfallen, sind im Außensteuergesetz § 6 AStG und dem Einkommensteuergesetz § 17 EStG geregelt.
Bei einer Besteuerung zum Zeitpunkt des Wegzuges gibt es zwei Dinge, die vorab zu beachten sind, um massive steuerliche Nachteile zu vermeiden:
1. Wegzugsteuer
Auswanderungssteuer Deutschland bzw. Wegzugssteuer Deutschland - Hier geht es zum einen um Anteile von Kapitalgesellschaften, die mit der Wegzugsbesteuerung natürliche Personen betrifft.
2. Exit Tax
Zum anderen um die sogenannte Exit Tax, die Entstrickungssteuer. Ihr Anwendungsbereich liegt im Gegensatz zur Wegzugsteuer beim Betriebsvermögen eines Unternehmens. Sie betrifft auch Einzelunternehmen, Selbstständige und Freiberufler.
Diese Exit Tax regelt EU-weit im Rahmen der ATAD-Richtlinie (Anti Tax Avoidance Directive bzw. Anti Steuervermeidungsrichtlinie) die Besteuerung bei Verlagerungen von Wirtschaftsgütern bzw. Betriebsvermögen wie Unternehmen, Patenten, Softwares oder ähnlichem. Sie kann also laut Steuerrecht auch dann ausgelöst werden, wenn eine Person selbst gar nicht in ein anderes Land umzieht.
Dem Gesetz zur Entstrickung haben wir hier eine eigene Seite gewidmet.
Diese Seite widmet sich dem ersten der beiden Punkte: der Wegzugsbesteuerung. Also jener Regelung, die natürliche Personen mit Anteilen an Kapitalgesellschaften betrifft, wenn sie ins Ausland (sowohl innerhalb EU-EWR-Raum als auch in Drittstaaten) verziehen.
Was ist die Wegzugsbesteuerung?
Die Wegzugsteuer ist eine Steuer, die Gesellschafter von Kapitalgesellschaften betrifft, deren unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland endet (durch Wegzug, Wohnsitz-Verlagerung ins Ausland).
Die Wegzugsbesteuerung ist dann relevant, wenn der Steuerpflichtige zum Zeitpunkt des Wegzugs einen Anteil von mindestens 1 % an einer deutschen oder ausländischen Kapitalgesellschaft in seinem Privatvermögen hält.
Beim Wegzug aus Deutschland verliert der Gesetzgeber das Recht der Besteuerung und ermittelt deshalb den potenziellen Gewinn eines zukünftigen Verkaufs.
Dabei werden sämtliche stillen Reserven im Inland steuerlich erfasst und besteuert und der Unternehmer so behandelt, als würde er seine Firmenanteile tatsächlich verkaufen (selbst bei einem Wegzug innerhalb des EU-EWR-Raums).
Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns
Der hierbei vom Finanzamt bestimmte Wertzuwachs seit Gründung bzw. Erwerb der Gesellschaft nennt sich „fiktiver Veräußerungsgewinn“ (bzw. gemeiner Wert der Anteile an der Kapitalgesellschaft).
Dieser gemeine Wert der Beteiligung ist dann vom Steuerpflichtigen im Teileinkünfteverfahren in Deutschland zu versteuern, d.h. 60 % des Betrages werden mit Einkommensteuer belegt.
Bis zur Reform der Wegzugsteuer musste eine Person 10 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein, um die Steuer beim Umzug ins Ausland auszulösen. Seit 2022 gibt es dabei aber ein paar Änderungen.
Nun ist die Rechtslage beispielsweise so, dass jeder, der zum Zeitpunkt des Wegzugs für mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war, möglicherweise der Wegzugsbesteuerung unterliegt.
So berechnet sich die Wegzugsteuer
Beim Wegzug ins Ausland wird der Wert des Unternehmens geschätzt. Bemessungsgrundlage sind dabei die stillen Reserven – insbesondere der Wertzuwachs seit Erwerb der Anteile, die in den Anteilen enthalten sind.
Beispiel 1: Herr Schlotzky erwirbt einen GmbH-Anteil für 1 Million Euro. Dieser ist nach drei Jahren 3 Millionen Euro wert. Die stillen Reserven belaufen sich auf 2 Millionen Euro. Bemessungsgrundlage für die Wegzugsbesteuerung beim Umzug ins Ausland sind 2 Millionen Euro.
Beispiel 2: Frau Otter gründet mit 25.000 Euro Stammkapital eine GmbH. Diese erwirtschaftet nach ein paar Jahren 100.000 Gewinn pro Jahr. Nun will Frau Otter nach Italien umziehen. Das Finanzamt stuft den Wert der Gesellschaft im Kontext der Wegzugsteuer mit 1.375 Millionen Euro ein.
Anhand des Beispiel von Frau Otter beträgt der fiktive Veräußerungsgewinn also 1.35 Millionen Euro. 60 % davon sind 780.000 Euro, welche nun gemäß Wegzugsteuer mit Einkommensteuersatz zu versteuern sind.
Bei 45 % Höchststeuersatz (mit Reichensteuer) wären dies also 351.000 Euro.
Verschärfung bei Stundung der Wegzugsbesteuerung
In Ausnahmefällen hatte der Steuerzahler gemäß früherer Rechtslage die Möglichkeit beim Umzug in ein anderes Land, eine sogenannte Stundung der Wegzugsteuer zu beantragen und die Steuer über einen Zeitraum von fünf Jahren in Raten zu bezahlen.
Ab 2022 wird die Wegzugsteuer sofort beim Wegzug fällig. Eine Stundung kommt lediglich gegen eine Sicherheitsleistung in Frage und gewährt die Aufteilung der Zahlung in sieben zinslosen Raten innerhalb eines Jahres.
Es spielt dabei wie gesagt keine Rolle, ob das Unternehmen weiter in Deutschland aktiv ist. Als gesetzliche Grundlage dient dem Gesetzgeber in jedem Fall eine „fiktive Veräußerung“ der Gesellschaftsanteile.
Besonders zu beachten: Auch beim Wegzug von EU-EWR-Bürgern innerhalb des EU-EWR-Raums fällt die Möglichkeit der zinslosen, unbefristeten Stundung komplett weg.
Auch abgsehen von der Stundung ergaben sich im Steuerrecht (§ 6 AStG) im Rahmen der Reform für Wegzüge sowohl innerhalb EU-EWR als auch bei Wohnsitz-Verlagerung in Drittstaaten weitere Änderungen, die wir hier kurz zusammengefasst haben:
Wegzugsteuer Neu auf einen Blick
Wegfall der zinslosen Stundung (auch bei Umzug innerhalb der EU/EWR)
7 Jahre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland (innerhalb der letzten 12 Jahre)
Verlängerung temporäre Wohnsitzverlagerung (auf bis zu 12 Jahre)
Besteuerung von Dividendenausschüttung mit 20 %
Ausführliche Informationen zu allen Änderungen und Neuregelungen im Gesetz für Steuerpflichtige beim Wegzug ins Ausland finden Sie auf dieser Seite.
Umzug innerhalb der EU/EWR
Bei einem Wegzug in ein EU-Land bzw. im EU-EWR-Raum hat der europäische Gerichtshof früher die Wegzugsbesteuerung – unter anderem aufgrund der Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit in der EU – als rechtswidrig erklärt.
Daher wurde die Steuer von Seiten des Finanzamtes früher zwar noch immer erhoben, aber dem Steuerzahler eine Möglichkeit zur Stundung zur Verfügung gestellt, bis es zum eigentlichen Verkauf der Gesellschaftsanteile kommt.
Ab 2022 ist eine Stundung aufgrund der bereits erwähnten Verschärfung und Änderungen der Wegzugsbesteuerung nicht mehr möglich. Auch bei EU-EWR-Bürgern löst ein Umzug innerhalb der EU bzw. des EWR die Wegzugsteuer aus!
Wegzusteuer bei temporärem Umzug aus Deutschland
In Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die planen temporär ins Ausland zu gehen, müssen laut Steuerrecht keine Wegzugsteuer bezahlen.
Klingt positiv – doch auch diese Regelung birgt erwartungsgemäß ihre Tücken.
Als temporäre Wegzüge gelten Aufenthalte von bis zu 7 Jahren im Ausland (egal ob EU oder Drittstaat). Bei dieser Frist gibt es außerdem die Möglichkeit zur Verlängerung auf bis zu 12 Jahre – beispielsweise wenn es sich um einen Aufenthalt zu beruflichen Zwecken handelt.
In der Praxis sieht es allerdings so aus, dass die Wegzugsbesteuerung auch bei einem temporären Umzug zunächst anfällt. Erst bei der Rückkehr nach Deutschland innerhalb der angegebenen Frist bekommt man die zuvor bezahlte Wegzusteuer zurückerstattet.
Dazu ein Beispiel: Herr Moser besitzt ein Unternehmen in Deutschland mit 100.000 Euro Jahresgewinn und plant, für die nächsten 3 Jahre in die USA umzuziehen, um dort eine US-Niederlassung der Gesellschaft aufzubauen. Der temporäre Wegzug ins Ausland fällt theoretisch nicht unter die Wegzugsbesteuerung, praktisch ist die Steuer aber zuerst trotzdem zu entrichten. Die GmbH wird im Zuge dessen mit einem fiktiven Veräußerungserlös von 1.3 Mio. Euro bewertet. Herr Moser muss in diesem Fall laut aktueller Rechtslage 350.000 Euro Wegzugsteuer bezahlen, um Deutschland verlassen zu können.
Alternativ dazu haben Sie das Recht, eine Sicherheitsleistung in Höhe der Steuer zu hinterlegen (in dem eben beschriebenen Beispiel könnte Herr Moser sein Haus bis zur Rückkehr ins Land an das Finanzamt überschreiben) oder die betreffenden Gesellschaftsanteile selbst dafür zu verwenden.
In Härtefällen ist im Gesetz ein gewisser Spielraum seitens des Finanzamts vorgesehen. Bei Unternehmen mit Wert in Millionenhöhe gibt es beim vorübergehenden Umzug in ein anderes (EU-)Land also eventuell die Möglichkeit, mit den Behörden bzw. dem Ministerium zu verhandeln und die Wegzugsteuer auszusetzen.
Kann die Wegzugsteuer legal vermieden werden? Ja!
Hier sei als erstes angemerkt, dass bei der Übertragung von werthaltigen Anteilen ins Ausland immer mit steuerlichen Nachteilen zu rechnen ist.
Durch vorausschauende steuerliche Gestaltung gibt es einige Punkte, die hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung beachtet werden können. Ganz vermeiden lassen sich Steuern aber selbst im EU-EWR-Raum nur, wenn die Anteile keinen Wert haben.
1. Geplante Rückkehr (temporärer Wegzug)
Ein klarer Fall, wie die Wegzugsbesteuerung vermieden werden kann, ist die von Anfang an geplante, nur vorübergehende Abwesenheit aus Deutschland. Entsprechend § 6 Abs. 3 AStG wird die Steuer zwar festgesetzt, aber nicht fällig, wenn die Person mit fester Rückkehrabsicht umzieht.
Die geltenden Fristen im Detail:
Grundzeitraum von 7 Jahren: Grundsätzlich geht das Gesetz von einem temporären Aufenthalt von bis zu sieben Jahren aus. Wenn Sie innerhalb dieses Zeitraums nach Deutschland zurückkehren, entfällt die festgesetzte Wegzugsteuer endgültig.
Verlängerung auf bis zu 12 Jahre: Diese 7-Jahres-Frist ist nicht starr. Sie kann auf Antrag beim Finanzamt um weitere fünf Jahre verlängert werden, was eine Gesamtdauer von bis zu 12 Jahren ermöglicht. Voraussetzung ist, dass die ursprüngliche Rückkehrabsicht weiterhin glaubhaft besteht und es gute Gründe für die Verlängerung gibt (z.B. ein verlängerter Arbeitsvertrag im Ausland).
Sonderfall: Die Kombination auf bis zu 17 Jahre: Die oft genannten 17 Jahre sind keine allgemeine Regelung der vorübergehenden Abwesenheit. Dieser lange Zeitraum ergibt sich nur in speziellen Konstellationen, wenn – wie im weiter unten beschriebenen Abschnitt für Spanien und die Schweiz beschrieben – ein vorgelagerter 5-Jahres-Zeitraum (durch die „Lex Beckham“ oder die „überdachende Besteuerung“) mit der maximalen 12-jährigen Rückkehrerregelung kombiniert wird (5 + 12 = 17 Jahre).
Besonders wichtig zu beachten beim temporären Wegzug ins Ausland: Das Unternehmen darf während des Aufenthaltes nicht verkauft werden und auch Dividenenausschüttungen sind nur in beschränktem Umfang möglich.
Für all jene, die die Wegzugsteuer nicht im Voraus bezahlen wollen/können, gibt es einen Geheimtipp:
Wenn Sie Anfang 2023 ins Ausland umziehen, wird die Steuererklärung mit der entsprechenden Wegzugsteuer am 28. Februar 2025 fällig (gegen Zinsen und Zuschläge spätestens im Juni 2025).
Im Juni 2025 kommen Sie für 6 Monate zurück nach Deutschland und reichen die Erklärung für 2023 ein, in der Sie den vorübergehenden Umzug ins Ausland inkludieren. Da Sie aber bereits wieder zurück sind, wird die Wegzugsteuer auf diese Weise nicht fällig.
Nach 6 Monaten können Sie bei Bedarf wieder ins Ausland ziehen und diesen Vorgang wiederholen.
Diese Gestaltung eignet sich natürlich nicht für jede Situation und der Teufel steckt auch hier im Detail, insbesondere bei hohen Werten ist sie aber auf jeden Fall eine Überlegung wert.
2. Vorteilhafte Bewertung
Hinsichtlich des fiktiven Veräußerungsgewinns der Beteiligung ist eine Sache für Unternehmer besonders wichtig: Überlassen Sie die Bewertung Ihres Unternehmens nicht den Finanzbehörden in Deutschland! Diese ziehen zur Ansetzung und Umsetzung der Wegzugsteuer lediglich den reinen Gewinn der Firma heran und rechnen hierfür gewöhnlich mit dem Faktor 13.375. Das heißt, selbst wenn Ihr Unternehmen rückläufige Gewinne und eventuell andere Belastungen wie Schulden hat, kommt das deutsche Finanzamt bei einem Jahresgewinn von 100.000 € auf eine Summe von 1.375 Mio. €, die für die Wegzugsbesteuerung fällig werden.
in gängiger und oft akzeptierter Ansatz zur Reduzierung des Unternehmenswerts bei der Wegzugsbesteuerung ist die Berücksichtigung eines sogenannten Unternehmerlohns. Dabei wird ein marktübliches Gehalt für die Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers angesetzt – also das, was eine fremde dritte Person für dieselbe Rolle erhalten würde.
Beispiel:
Der durchschnittliche Jahresgewinn der GmbH aus den letzten drei Jahren beträgt 100.000 €. Für die Position des geschäftsführenden Gesellschafters wäre ein angemessenes Gehalt ebenfalls 100.000 € pro Jahr. Dieser Unternehmerlohn kann vom Gewinn abgezogen werden.
Die Bewertung des Unternehmens erfolgt nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren:
(Gewinn – Unternehmerlohn) × 13,75
In unserem Beispiel ergibt sich:
(100.000 € – 100.000 €) × 13,75 = 0 €
Der Unternehmenswert beträgt somit 0 €, was bedeutet, dass keine Wegzugssteuer anfällt.
Eine andere gängige Methode ist, einen Gutachter heranzuziehen, der das Unternehmen vor anfallen der Wegzugsteuer bewertet und schließlich zum Kauf ausschreibt. Anhand der Angebote lassen sich realistische Werte ermitteln und somit die Schätzung durch das deutsche Finanzamt umgehen.
Wir verfügen über ein umfassendes Netzwerk an Experten, die in der Lage sind, seriöse Bewertungen Ihres Unternehmens für Sie zu erstellen. Für nähere Informationen kontaktieren Sie uns gerne oder vereinbaren Sie einen Termin mit Sebastian Sauerborn.
3. Aufgabe der Anteile
Die Wegzugsbesteuerung kann auch umgangen werden, indem Anteile vor dem Wegzug aus Deutschland aufgegeben werden. Hier wird zwischen verschiedenen Varianten unterschieden:
Anteilsveräußerung vor Umzug – dies stellt die einfachste Möglichkeit dar. Allerdings muss beachtet werden, dass der Verkauf der Anteile an der Kapitalgesellschaft andere Besteuerungen auslöst und somit nur bei einem geplanten Verkauf zu empfehlen ist. Es sollte auf jeden Fall im Vorfeld eine Beurteilung erfolgen um den tatsächlich günstigeren Weg zu ermitteln.
Anteilsübertragung – eine weitere Variante zur Umgehung der Wegzugsteuer stellt die Anteilsübertragung an ein Familienmitglied dar, das in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Hier gilt es jedoch eine andere Steuer zu beachten: die Schenkungsteuer.
Betriebsübergang im Rahmen einer Nachfolgeregelung – dies ist in Deutschland selbst bei sehr wertvollen Unternehmen steuergünstig möglich.
Familienstiftung – Sie haben die Möglichkeit, Ihre Anteile an der Gesellschaft an eine Familienstiftung abzugeben.
Liquidation – die Liquidation der Kapitalgesellschaft ist eine Option, die sich bei einem Wegzug ins Ausland anbietet, wenn eine erneute Beteiligung an der Gesellschaft ausgeschlossen ist.
4. Strategische Umstrukturierung bei Beibehaltung der Anteile
Für Unternehmer, die Deutschland verlassen, aber ihre Anteile behalten und weiterhin die Kontrolle ausüben möchten, sind strukturelle Veränderungen der Königsweg. Das Ziel ist es, die steuerliche Bemessungsgrundlage der Wegzugsteuer – also das Halten von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als natürliche Person – zu beseitigen.
Dies geschieht durch die Übertragung der Anteile auf eine andere Rechtsform, die nicht von § 6 AStG betroffen ist. Hier sind die gängigsten und wirksamsten Modelle im Detail:
Modell A: Formwechselnde Umwandlung der GmbH in eine GmbH & Co. KG
Dies ist ein direkter und rechtlich klar definierter Weg, um die Grundlage für die Wegzugsteuer zu beseitigen. Anstatt eine neue Holding-Struktur zu schaffen, ändert das bestehende Unternehmen selbst seine Rechtsform.
So funktioniert's: Durch einen formalen Prozess, der im deutschen Umwandlungsgesetz (UmwG) definiert ist, wird Ihre bestehende GmbH rechtlich in eine GmbH & Co. KG umgewandelt. Die Gesellschaftsform ändert sich, aber die rechtliche und wirtschaftliche Identität des Unternehmens bleibt bestehen. Für Sie als Gesellschafter bedeutet dies, dass Ihre Anteile an der Kapitalgesellschaft (GmbH) automatisch zu Anteilen an einer Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) werden. Da Sie beim Wegzug nun keine Anteile an einer Kapitalgesellschaft mehr im Privatvermögen halten, entfällt der Tatbestand der Wegzugsteuer nach § 6 AStG.
Die Steuerfalle bei der Umwandlung: Der ganze Zweck dieser Umwandlung ist es, die in Ihrem Unternehmen vorhandenen stillen Reserven (Wertzuwächse) vor der Wegzugsteuer zu schützen. Genau dieser Vorgang birgt aber ein Risiko: Die Umwandlung selbst kann eine sofortige Besteuerung dieser stillen Reserven auslösen. Damit die Strategie aufgeht, muss die Umwandlung zwingend steuerneutral zu Buchwerten nach den Vorgaben des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) erfolgen. Werden die strengen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, kommt es zur sofortigen Steuerpflicht auf alle stillen Reserven – und die gesamte Maßnahme ist steuerlich kontraproduktiv.
Wichtige Voraussetzung nach der Umwandlung: Auch nach der erfolgreichen Umwandlung muss die „neue“ GmbH & Co. KG ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland beibehalten. Nur so bleibt das deutsche Besteuerungsrecht an den stillen Reserven gesichert, was die Grundvoraussetzung für den Entfall der Wegzugsteuer für Sie als wegziehenden Gesellschafter ist.
Modell B: Die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft (z.B. GmbH & Co. KG)
Dies ist die wohl verbreitetste und eine sehr robuste Methode, um die Wegzugsteuer zu neutralisieren. Statt Ihre GmbH-Anteile direkt zu halten, schalten Sie eine deutsche gewerbliche Personengesellschaft, typischerweise eine GmbH & Co. KG, dazwischen.
So funktioniert's: Sie bringen Ihre Anteile an der operativen Kapitalgesellschaft (z.B. Ihrer GmbH) in die GmbH & Co. KG ein. Dies kann in der Regel steuerneutral nach dem Umwandlungssteuergesetz erfolgen. Nach diesem Schritt sind Sie nicht mehr direkt Gesellschafter der GmbH, sondern Kommanditist der KG. Wenn Sie nun ins Ausland ziehen, halten Sie privat Anteile an einer Personengesellschaft, die nicht der Wegzugsteuer unterliegen.
Die entscheidende Voraussetzung: Damit dieses Modell funktioniert, muss Deutschland das Besteuerungsrecht an den in den GmbH-Anteilen enthaltenen stillen Reserven behalten. Das bedeutet, die GmbH & Co. KG muss ihre Geschäftsleitung weiterhin in Deutschland haben. Solange dies sichergestellt ist (z. B. durch einen in Deutschland ansässigen Geschäftsführer), ist der Wegzug des Kommanditisten für die Wegzugsteuer irrelevant.
Worauf Sie achten müssen:
Keine "Entstrickung": Die KG darf nicht nur eine Briefkastenfirma sein. Sie muss Substanz haben und ihre Managemententscheidungen müssen nachweislich in Deutschland getroffen werden.
Offene Rücklagen: Prüfen Sie vorab, ob die Umwandlung oder Einbringung zu einer ungewollten Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven oder offener Rücklagen führt.
Laufende Kosten: Eine KG verursacht eigene Verwaltungs- und Buchführungskosten.
Modell C: Die Übertragung auf eine deutsche Familienstiftung
Eine Familienstiftung ist eine elegante und sehr langfristige Lösung, die nicht nur die Wegzugsteuer vermeidet, sondern auch ideal für die Nachfolgeplanung und den Schutz des Vermögens (Asset Protection) ist.
So funktioniert's: Sie übertragen Ihre Unternehmensanteile per Stiftungsgeschäft auf eine neu errichtete Familienstiftung. Mit diesem Schritt geht das Eigentum an den Anteilen vollständig auf die Stiftung über. Die Stiftung wird zur neuen Gesellschafterin Ihrer GmbH. Sie selbst sind als Stifter keine Privatperson mehr, die Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält. Ihr Wegzug ist somit für die Wegzugsteuer ohne Belang.
Vorteile dieser Struktur:
Finalität: Die Lösung ist dauerhaft und muss nicht bei jedem Umzug neu geprüft werden.
Vermögensschutz: Das Vermögen ist in der Stiftung vor privaten Gläubigern oder Scheidungsansprüchen geschützt.
Kontrolle: Als Stifter können Sie über die Stiftungssatzung und die Besetzung der Stiftungsorgane (z.B. als Vorstand oder Beirat) weiterhin maßgeblichen Einfluss auf das Unternehmen ausüben.
Die Steuerfalle "Schenkungsteuer":
Die Übertragung der Anteile auf die Stiftung ist eine Schenkung und löst grundsätzlich Schenkungsteuer aus. ABER: Durch die korrekte Anwendung der Verschonungsregeln für Betriebsvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG) kann diese Steuerlast oft auf null reduziert werden, wenn die strengen Voraussetzungen (z.B. Beibehaltung von Arbeitsplätzen, keine übermäßigen Entnahmen) erfüllt werden. Dies erfordert eine detaillierte Vorab-Prüfung.
Modell D: Die Übertragung auf eine ausländische Stiftung (z.B. Liechtenstein)
Für international aufgestellte Unternehmer kann auch eine ausländische Stiftung, klassischerweise in Liechtenstein, als Vehikel dienen. Das Grundprinzip ist dasselbe: Sie entledigen sich des direkten Eigentums an den Anteilen und verhindern so die Wegzugsteuer.
So funktioniert's: Sie stiften Ihre GmbH-Anteile an eine liechtensteinische Stiftung. Ihr späterer Wegzug aus Deutschland löst keine Wegzugsteuer aus. Die Herausforderung liegt, wie bei der deutschen Stiftung, in der Schenkungsteuer bei der Gründung.
Die Komplexität der Schenkungsteuer:
Grundregel (Nachteil): Für die Übertragung von Privatvermögen gilt bei ausländischen Stiftungen die ungünstige Steuerklasse III. Das "Steuerklassenprivileg" der günstigen Steuerklasse I, das für deutsche Familienstiftungen mit nahen Angehörigen als Begünstigten gilt, wird ausländischen Stiftungen verwehrt. Dies führt jenseits eines Freibetrags von 20.000 Euro zu hohen Steuersätzen von 30 % oder 50 %. (Anmerkung: Diese Ungleichbehandlung wird von Rechtsexperten als europarechtswidrig kritisiert, jedoch ist die Rechtslage hierzu nicht abschließend geklärt.)
Die entscheidende Ausnahme (Vorteil): Wie Ihr Praxistipp korrekt hervorhebt, unterliegt die Ausstattung der Stiftung insoweit nicht der Schenkungsteuer, als es sich um begünstigtes Betriebsvermögen im Sinne des deutschen Erbschaftsteuerrechts handelt (§§ 13a, 13b ErbStG).
Der Königsweg über das Betriebsvermögen: Wenn die gesetzlichen Vorgaben der Steuerbefreiung für Betriebsvermögen eingehalten werden (z.B. Lohnsummenregelungen, Behaltensfristen, kein übermäßiges Verwaltungsvermögen), können auch Anteile an operativen Unternehmen steuerfrei oder zu 85 % steuerbefreit in eine liechtensteinische Stiftung eingebracht werden. Damit wird der Nachteil der schlechteren Steuerklasse komplett neutralisiert.
Fazit: Entgegen einer weit verbreiteten Annahme ist die liechtensteinische Stiftung keineswegs per se eine "Steuerfalle". Für Inhaber von qualifiziertem Betriebsvermögen ist sie eine hochwirksame und strategisch interessante Alternative zur deutschen Familienstiftung, um die Wegzugsteuer zu vermeiden. Die Gestaltung erfordert jedoch eine exakte Analyse des Unternehmensvermögens und eine sorgfältige Planung, um die strengen Voraussetzungen der Betriebsvermögensverschonung zu erfüllen.
Neuregelung Wegzugsbesteuerung 2022 gemäß Anti-Steuervermeidungsrichtlinie
Abschließend kommen wir noch einmal zur aktuellen Rechtslage: Wie bereits mehrfach erwähnt, gab es bei der Wegzugsbesteuerung in Deutschland eine Reform – diese betraf vor allem das Außensteuergesetz § 6 AStG. Die Wegzugsteuer wurde vom Gesetzgeber neu geregelt und im Zuge dessen kam es mit dem ATADUmsG, dem ATAD-Umsetzungsgesetz, zu massiven Verschärfungen.
Der Deutsche Bundestag beschloss die Änderungen bei der Wegzugsteuer am 21.05.2021. Diese Maßnahme begründete die Bundesregierung mit der Umsetzung der ATAD. Bei der ATAD (Anti Tax Avoidance Directive, die Anti-Steuervermeidungsrichtlinie) handelt es sich um die neue EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken.
Die neuen Regelungen zur Wegzugsteuer sollten laut Bundesregierung ursprünglich rückwirkend ab dem 01.01.2020 in Kraft treten. Schließlich kam das Gesetz zum Jahreswechsel 2021, 2022 zur Anwendung.
Keine Stundung der Steuer mehr
Die gravierendsten Änderungen für die Wegzugsbesteuerung ab 2022 gab es im Zuge des ATADUmsG hinsichtlich der zeitlich unbeschränkten, zinslosen Stundung: Die Stundung fiel komplett weg – egal ob beim Umzug im EU-EWR-Raum oder in ein beliebiges anderes Land (was vor allem in Hinsicht auf die Niederlassungsfreiheit der EU kontrovers ist).
Weitere Änderungen für Steuerpflichtige
Zudem lösen nun innerhalb der vergangenen zwölf Jahre unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland bereits sieben Jahre eine Wegzugsbesteuerung aus und auch die Dividendenausschüttung wurde mit 20 % beschränkt.
Wir haben alle daraus resultierenden Änderungen und Regelungen für die Wegzugsteuer bereits auf dieser Seite berücksichtigt.
Klicken Sie hier, um alles rund um die Neuregelung bzw. Verschärfung der Wegzugsbesteuerung in Deutschland im Rahmen des ATADUmsG ab 2022 inklusive EU-EWR, deren Anwendungsbereich sowie die frühere Rechtslage zu erfahren.
Exkurs: Das "Wächtler-Urteil" und die vergebliche Hoffnung auf eine Rückkehr zur alten Regelung
Im Zusammenhang mit der drastischen Verschärfung der Wegzugsbesteuerung ab 2022 klammerten sich viele Steuerpflichtige und Berater an eine letzte Hoffnung: ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall "Wächtler" (Rechtssache C-581/17). Man erhoffte sich, der EuGH würde die neue, strikte deutsche Regelung – insbesondere den Wegfall der unbefristeten, zinslosen Stundung bei EU/EWR-Wegzügen – als Verstoß gegen die europäische Niederlassungsfreiheit kippen.
Worum ging es im Fall "Wächtler"?
Der Fall betraf einen deutschen Staatsbürger, der 2011 in die Schweiz umzog. Nach damaligem Recht wurde die Wegzugsteuer bei einem Umzug in ein Drittland wie die Schweiz sofort fällig. Herr Wächtler argumentierte, dass dies eine ungerechtfertigte Beschränkung seiner Niederlassungsfreiheit darstelle, insbesondere im Vergleich zur damals noch möglichen unbefristeten Stundung bei Umzügen innerhalb der EU.
Die Hoffnung der Steuerzahler
Die Hoffnung war, dass der EuGH zugunsten von Herrn Wächtler entscheiden und die sofortige Steuererhebung als unverhältnismäßig einstufen würde. Ein solches Urteil, so die Erwartung, hätte eine starke Signalwirkung gehabt und potenziell die deutsche Gesetzesverschärfung von 2022 in Frage gestellt, die ja genau diese sofortige Fälligkeit (bzw. nur noch kurzfristige Ratenzahlung gegen Sicherheitsleistung) für alle Wegzüge, auch innerhalb der EU, einführte. Man spekulierte, dass Deutschland dann gezwungen sein könnte, zur alten, großzügigen Stundungsregelung für EU-Fälle zurückzukehren.
Das Urteil: Eine Enttäuschung für Wegzügler
Am 26. Februar 2019 fällte der EuGH sein Urteil – und zerschlug die Hoffnungen. Der Gerichtshof entschied, dass die sofortige Festsetzung der Wegzugsteuer grundsätzlich mit dem EU-Recht vereinbar ist.
Zwar erkannten die Richter die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, sahen diese aber als gerechtfertigt an, um das deutsche Besteuerungsrecht an im Inland entstandenen stillen Reserven zu sichern. Der EuGH erklärte lediglich die sofortige Einziehung der Steuer ohne die Möglichkeit einer Stundung für unverhältnismäßig. Er forderte jedoch keine unbefristete, zinslose Stundung, sondern hielt eine gestundete Zahlung (ggf. auch gegen Sicherheitsleistung und verzinst) über einen gewissen Zeitraum für ausreichend.
Fazit zum Wächtler-Urteil
Das Urteil war das genaue Gegenteil von dem, was viele erhofft hatten. Anstatt die deutsche Wegzugsteuer zu kippen, hat der EuGH sie im Kern legitimiert und gestärkt. Die deutsche Neuregelung ab 2022, die eine sofortige Fälligkeit vorsieht und nur eine zinslose Ratenzahlung über sieben Jahre gegen Sicherheitsleistung erlaubt, bewegt sich genau in dem Rahmen, den der EuGH als zulässig erachtet.
Das Wächtler-Urteil ist daher kein Hebel, um gegen die aktuelle, strikte Wegzugsbesteuerung vorzugehen. Es hat vielmehr die Position des deutschen Fiskus zementiert und klar gemacht, dass auf eine Milderung der Regeln durch die europäischen Gerichte nicht mehr zu hoffen ist. Die Notwendigkeit, durch proaktive Gestaltung die Wegzugsteuer zu vermeiden, ist damit größer als je zuvor.
Massive Ausweitung der Wegzugsteuer ab 2025: Jetzt sind auch Investmentfonds betroffen
Als wäre die Verschärfung der Wegzugsteuer im Jahr 2022 nicht bereits einschneidend genug gewesen, hat der deutsche Gesetzgeber nachgelegt. Mit dem Jahressteuergesetz 2024 wurde der Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung ab dem 1. Januar 2025 drastisch erweitert. Diese Neuregelung schließt eine bisher oft genutzte Lücke zur steueroptimierten Verlagerung von Vermögen ins Ausland und betrifft nun erstmals auch Anteile an Investmentfonds und ETFs, die im Privatvermögen gehalten werden.
Viele vermögende Privatpersonen, die bisher nicht von der Wegzugsteuer betroffen waren, da sie keine wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften hielten, rücken nun in den Fokus des Finanzamts. Die Intention des Gesetzgebers ist klar: Wertzuwächse, die während der Steuerpflicht in Deutschland entstanden sind, sollen auch hier besteuert werden, bevor das Besteuerungsrecht durch einen Wegzug verloren geht.
Wer ist von der Neuregelung ab 2025 betroffen?
Die neue Regelung zielt auf natürliche Personen ab, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgeben und dabei "gewichtige" Anteile an Investmentfonds halten. Ähnlich wie bei den Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gilt auch hier die Voraussetzung, dass die Person in den letzten zwölf Jahren vor dem Wegzug mindestens sieben Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.
Ein entscheidender Punkt ist, was der Gesetzgeber als "gewichtige" Beteiligung ansieht. Für reguläre Investmentfonds (dazu zählen klassische Aktienfonds, Mischfonds, Immobilienfonds und auch ETFs) greift die Wegzugsteuer, wenn eine der beiden folgenden Schwellen überschritten wird:
Die Beteiligungsquote beträgt mindestens 1 % der gesamten Anteile des Investmentfonds. Diese Regelung ist analog zur 1-%-Grenze bei Kapitalgesellschaften.
Die Anschaffungskosten der Anteile an einem Investmentfonds belaufen sich auf mindestens 500.000 Euro.
Wichtiger Hinweis: Die 500.000-Euro-Grenze wird pro Fonds betrachtet. Die Anschaffungskosten Ihrer Anteile an verschiedenen Fonds werden also nicht zusammengerechnet. Dies eröffnet gewisse Gestaltungsspielräume.
Für sogenannte Spezial-Investmentfonds, die oft von sehr vermögenden Anlegern genutzt werden, sind die Regeln noch strenger. Hier greift die Wegzugsbesteuerung unabhängig von der Beteiligungshöhe oder den Anschaffungskosten. Jede Beteiligung an einem Spezialfonds kann beim Wegzug steuerpflichtig sein.
Wie funktioniert die Besteuerung von Investmentfonds?
Ähnlich wie bei GmbH-Anteilen wird beim Wegzug eine fiktive Veräußerung der Fondsanteile zum gemeinen Wert (aktueller Marktwert) unterstellt. Die Differenz zwischen diesem fiktiven Verkaufspreis und den ursprünglichen Anschaffungskosten ist der "fiktive Veräußerungsgewinn".
Dieser Gewinn wird mit der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) besteuert. Im Gegensatz zur Besteuerung von Kapitalgesellschaftsanteilen, die dem Teileinkünfteverfahren unterliegen, kommt hier also der pauschale Kapitalertragsteuersatz zur Anwendung.
Beispiel 1: Herr Fröhlich zieht nach Österreich
Herr Fröhlich lebt seit 10 Jahren in Deutschland und plant seinen Ruhestand in Österreich. Er besitzt Anteile an einem globalen Aktien-ETF.
Anschaffungskosten (2018): 400.000 Euro
Marktwert zum Zeitpunkt des Wegzugs (2025): 650.000 Euro
Analyse: Obwohl der Wert der Anteile über 500.000 Euro liegt, sind die ursprünglichen Anschaffungskosten mit 400.000 Euro unter der Schwelle. Herr Fröhlich hält auch weniger als 1 % am gesamten ETF-Vermögen. Ergebnis: Sein ETF-Portfolio löst keine Wegzugsteuer aus.
Beispiel 2: Frau Gärtner verlegt ihren Wohnsitz in die Schweiz
Frau Gärtner war erfolgreiche Unternehmerin und hat einen Teil ihres Vermögens in einen einzelnen Technologie-Investmentfonds investiert.
Anschaffungskosten (2020): 550.000 Euro
Marktwert zum Zeitpunkt des Wegzugs (2025): 800.000 Euro
Analyse: Frau Gärtners Anschaffungskosten für diesen einen Fonds übersteigen die Grenze von 500.000 Euro. Der Wegzug löst die Besteuerung aus.
Berechnung der Steuerlast:
Fiktiver Veräußerungsgewinn: 800.000 € - 550.000 € = 250.000 €
Steuer darauf (25 % Abgeltungsteuer): 62.500 €
Solidaritätszuschlag (5,5 % von 62.500 €): 3.437,50 €
Gesamte Wegzugsteuer: 65.937,50 €
Diese Summe muss Frau Gärtner an das deutsche Finanzamt zahlen, obwohl sie keinen einzigen Fondsanteil verkauft und somit keine Liquidität aus der Investition gezogen hat.
Welche Strategien gibt es, um die neue Wegzugsteuer auf Fonds zu vermeiden?
Auch wenn die Neuregelung eine erhebliche Verschärfung darstellt, gibt es legale Gestaltungsansätze, um die Steuerlast zu reduzieren oder zu vermeiden:
Diversifikation unter der 500.000-Euro-Schwelle: Da die Anschaffungskosten pro Fonds bewertet werden, können Investitionen strategisch auf mehrere verschiedene Fonds verteilt werden. Anstatt 600.000 Euro in einen Fonds zu investieren, könnte man jeweils 300.000 Euro in zwei unterschiedliche Fonds anlegen. Solange keiner der Fonds die Schwelle von 500.000 Euro an Anschaffungskosten erreicht, wird die Wegzugsteuer vermieden.
Umschichtung in Direktinvestments: Die direkte Anlage in Aktien, Anleihen oder Immobilien ist von dieser spezifischen Neuregelung der Wegzugsteuer (§§ 19, 49 InvStG) nicht betroffen. Eine Umschichtung des Portfolios von Fonds in Einzelwerte kann daher eine wirksame Strategie sein.
Verkauf vor dem Wegzug: Die Anteile könnten vor dem Umzug tatsächlich verkauft werden. Dies löst zwar ebenfalls die Abgeltungsteuer auf den realisierten Gewinn aus, verschafft aber die notwendige Liquidität zur Begleichung der Steuerschuld und verhindert die Komplexität der Wegzugsbesteuerung.
Anwendung der "Rückkehrerregelung": Wie bei den Kapitalgesellschaften gilt auch hier: Wenn der Wegzug nur temporär ist und eine Rückkehrabsicht nach Deutschland besteht (innerhalb von 7, in Ausnahmefällen bis zu 12 Jahren), kann die Steuer gestundet und bei tatsächlicher Rückkehr erlassen werden. Allerdings ist auch hier oft eine Sicherheitsleistung erforderlich.
Ausblick: Folgt Deutschland dem Beispiel Österreichs?
Die Ausweitung der Wegzugsteuer auf Investmentvermögen stellt eine der signifikantesten steuerlichen Änderungen für international mobile Privatpersonen der letzten Jahre dar. Viele Experten sehen diesen Schritt jedoch nur als den Anfang.
Ein Blick nach Österreich zeigt, wohin die Reise gehen könnte: Dort existiert bereits seit 2016 eine vergleichbare Wegzugsbesteuerung, die jedoch einen deutlich breiteren Anwendungsbereich hat. In Österreich erfasst die Steuer nicht nur Fonds und wesentliche Beteiligungen, sondern nahezu alle Kapitalanlagen, inklusive einzelner Aktien oder Anleihen, sobald stille Reserven vorhanden sind.
Es ist daher ein realistisches Szenario, dass der deutsche Fiskus diesem Vorbild früher oder später folgen wird. Die aktuelle Regelung für Fonds könnte ein Testlauf sein, bevor die Wegzugsteuer auch in Deutschland auf weitere private Kapitalanlageklassen ausgeweitet wird. Eine frühzeitige und sorgfältige Planung des eigenen Gesamtvermögens ist für jeden, der einen Wegzug aus Deutschland in Erwägung zieht, daher unerlässlicher denn je.
Besondere Gestaltungen und Ausnahmen für bestimmte Länder
Während die allgemeinen Regeln der Wegzugsteuer für die meisten Länder gelten, gibt es für einige beliebte Auswanderungsziele spezielle Abkommen und Gestaltungen, die eine legale Verschiebung oder sogar Vermeidung der Wegzugsteuer ermöglichen. Insbesondere für Spanien, die Schweiz und Länder ohne Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) wie die Vereinigten Arabischen Emirate (Dubai) existieren interessante Sonderwege.
1. Spanien: Die Kombination aus "Lex Beckham" und der Rückkehrerfiktion
Für Zuzügler nach Spanien, einschließlich Mallorca, gibt es das sogenannte "Lex Beckham"-Regime. Dieses Sondersteuergesetz erlaubt es Ihnen, für die ersten fünf Jahre nach dem Zuzug steuerlich so behandelt zu werden, als wären Sie in Spanien nicht ansässig.
Die Folge für die Wegzugsteuer: Da Sie aus deutscher Sicht in diesen fünf Jahren steuerlich nicht wirksam nach Spanien umgezogen sind, wird die deutsche Wegzugsteuer nicht ausgelöst. Sie erhalten quasi ein fünfjähriges "Fenster", um das Leben in Spanien zu testen, ohne dass Ihre Unternehmensanteile besteuert werden.
Die Verlängerung auf bis zu 17 Jahre: Der eigentliche Clou liegt in der Kombination mit der Regelung zur vorübergehenden Abwesenheit in § 6 Abs. 3 AStG. Nach Ablauf der fünf Jahre unter Lex Beckham können Sie diese Regelung in Anspruch nehmen.
Schritt 1: Sie nutzen 5 Jahre lang die Lex Beckham.
Schritt 2: Anschließend greift die Regelung für eine vorübergehende Abwesenheit von bis zu 7 Jahren, wenn eine Rückkehrabsicht nach Deutschland besteht. Damit sind Sie bei insgesamt 12 Jahren.
Schritt 3: Diese 7-Jahres-Frist kann auf Antrag beim Finanzamt um weitere 5 Jahre verlängert werden, wenn die Rückkehrabsicht weiterhin plausibel ist.
Ergebnis: Durch diese geschickte Kaskadierung können Sie bis zu 17 Jahre in Spanien leben, bevor die deutsche Wegzugsteuer endgültig fällig wird.
2. Schweiz: Die Sonderregelung der "überdachenden Besteuerung"
Eine sehr ähnliche Möglichkeit wie in Spanien bietet das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweiz. Es enthält eine besondere Klausel, die im Fachjargon als „überdachende Besteuerung“ bekannt ist.
Die Regelung im DBA: Diese Regelung besagt, dass eine Person, die in die Schweiz zieht, aber ihre deutsche Staatsbürgerschaft behält (und nicht die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt), für das Jahr des Wegzugs sowie die darauffolgenden fünf Jahre aus deutscher Sicht steuerlich nicht als wirksam in die Schweiz umgezogen gilt. Deutschland "überdacht" quasi das schweizerische Besteuerungsrecht und behält für diesen Zeitraum das Recht zur Besteuerung deutscher Einkünfte und Vermögenswerte.
Die Folge für die Wegzugsteuer: Genau wie bei der Lex Beckham wird durch den Mechanismus der überdachenden Besteuerung der Tatbestand des Wegzugs für die ersten fünf vollen Jahre plus die Monate des Wegzugsjahres nicht erfüllt. Die Wegzugsteuer wird nicht ausgelöst.
Verlängerungsmöglichkeit: Auch hier kann im Anschluss die oben beschriebene Regelung zur vorübergehenden Abwesenheit (§ 6 Abs. 3 AStG) für weitere 7 plus 5 Jahre genutzt werden, was ebenfalls einen Aufenthalt von bis zu 17 Jahren ohne Wegzugsteuer ermöglichen kann.
3. Dubai (und andere Nicht-DBA-Staaten): Der Trick mit dem Wohnsitz
Für Länder, mit denen Deutschland kein Doppelbesteuerungsabkommen hat – dazu zählen neben den VAE (Dubai) auch Monaco, die Bahamas oder Barbados – eröffnet sich eine ganz andere, aber sehr wirksame Strategie.
Die Regelung im Gesetz: § 6 Abs. 1 AStG besagt, dass die Wegzugsteuer ausgelöst wird, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht "infolge der Aufgabe ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts" in Deutschland beendet wird.
Die einfache Lösung: Der Schlüssel liegt im Wort "Aufgabe". Sie geben Ihren deutschen Wohnsitz einfach nicht auf. Sie mieten oder kaufen eine Immobilie in Dubai, begründen dort einen neuen Lebensmittelpunkt, behalten aber gleichzeitig Ihre Wohnung oder Ihr Haus in Deutschland bei und nutzen es auch weiterhin sporadisch.
Die Folge: Solange Sie in Deutschland einen Wohnsitz im Sinne des Gesetzes beibehalten, ist der Tatbestand der "Aufgabe" nicht erfüllt. Sie beenden Ihre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland nicht, und die Wegzugsteuer wird nicht ausgelöst.
Wichtiger Hinweis: Diese Strategie funktioniert nur für den Umzug in Nicht-DBA-Staaten. Bei einem Umzug in einen Staat mit DBA (wie Spanien, Schweiz, USA etc.) würde die sogenannte "Tie-Breaker-Rule" des Abkommens greifen. Diese würde Ihren steuerlichen Wohnsitz eindeutig dem Land zuordnen, in dem sich Ihr Lebensmittelpunkt befindet, und die Wegzugsteuer würde trotz des beibehaltenen deutschen Wohnsitzes fällig werden.
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